Vollgas im Zelt: Wie man ein zünftiges Oktoberfest begeht, braucht man in Wien offenbar niemandem erklären. Nil Heidrun Henke Wo sich die Bänke biegen And'y Borg gehtum Sieben. Unerkannt quert der Schlagerstar den Calafatiplatz. Er hatden Nachmittag über gespieltund seine Schuldigkeit getan. Es istnoch nicht dunkel und im Zelt tanzensie schon auf den Tischen. Zickezacke! Die Stimmungsband Meilenstein übernimmt ein Publikn
[MEHR]m,das nicht nur gemütlich angeschunkeltist. Es steuert geradewegs auf den Exzesszu. Kein Mitsing Song der letzten 20 Jahre wird ausgelassen, Kabinenparty, Robbie Williams, Grönemeyer,und natürlich der größte aller Wiesn Feger: Fürstenfeld. Die Hymnevonder Sehnsucht nach der Provinz. Und das Riesenrad schautowe. Glücklich und enthemmt. Wo man hinsieht: stramme Wadln, Goiserer, Busengedränge im Decollet6. Es scheint,als wären in Wien über die Jahre Dirndln, karierte Hemden und Leder Lässt sich das Münchner Oktoberfest nach Wien exportieren? Nach einem Besuch der Wiener Wiesn möchtemanglauben,es wärehier erfunden worden..4 VON TIMO VÖ LKERhosen gehortet worden. Hier schwurbelt kein DJ verbissenanseinen Decks,hier wird in die Vollen gegriffen,gestampft und, Humtata!, Polonaisegetanzt. Der Großstadtmensch, für ein paar Stundenvonder Last der Ironie befreit,ist glücklich und enthemmt. Sogar der Maßkrug wurdevom Münchner Oktoberfest übernommen. Dagegen sehenunsere Halbliterkrügeln fast lächerlichaus. Gezählt werden sie sowieso nicht. Ausgerechnet im Gösser Zelt versiegen zeitweise die Zapfhähne, im Bierzelt eine Art Reaktorunfall. Ich glaube, die draußen sind im Moment glücklicher als die im Zelt',sagt ein Security vor dem Eingang. Aber draußen herrscht nicht wenig Gedränge, dafür gibtes Bieranjeder Ecke,oder Kleiner Klopfer', Spaßschnaps,wenn esschneller gehen soll. Einlassgibtes nur gegen Eintrittskarte, die telefonisch oder übers Internet gekauftwird. Am Sonntag tritt Volksmusik Superstar Andreas Gabalier auf ( Smash Hit: Sweet little Rehlein'), der Veranstalter hat zwei Tage vorher schon 1500 Karten abgesetzt. Schlagerschlampen. Spontanbesucherbitten und betteln vergebens. Ohne Ticket? Leider nein. Bei den Türstehernbleibt die Pulsrate trotzdem niedrig. Es ist ja auch unser Freund und Helferda.' Tatsächlich parkt ein voll besetztes Polizeiauto gleich neben dem Eingang. Wurstfabrikant Wiesbauer freilichscheucht4rn Fingangsbereicäjiugwritys beiseite: Das ist mein Zelt!' Einbrauchbares Argument. Im Zelt des Wiener Wurstherstellers werden in den nächsten Tagen Edlseer und Wörtherseergegendie Acts der anderen Bühnen anmusizieren,dass sich die Bänke biegen, Nino de Angelogegen Roberto Blanco, Petra Frey gegen Jürgen Drews, Saubartlngegen Schlagerschlampen. Und Jazz Gittigegenden Rest der Welt. Keine Verletzten. Zehn Tage hat die Wiener Version des Münchner Oktoberfests ihre Zelte auf der Kaiserwiese Nino de Angelogegen Roberto Blanco, Saubartlngegen Schlagerschlampen.vordem Riesenrad aufgeschlagen. Der Veranstalter, Johann Leitner,ziehtnach der freitäglichen Premiere zufrieden Bilanz. Von über zwölftausend Besuchern sprichter am Morgen danach,von super Partystimmung', und beim Frühschoppen geheesauch schonwieder gutzur Sache. Kein Zwischenfall', sagt er auch,kein Verletzter', das ist sich in München,woallerdings in anderen Dimensionengeschunkelt und gebechertwird,nochnieausgegangen. Die Abendtermine der kommenden Tage,freut sich Leitner, seien allesamtso gutwie ausverkauft. Bloß Montag, Dienstag und Mittwochnachmittag wirdmanvermutlich nicht lang auf sein Bier warten müssen. Große Schuhe. Die längste Zeit sind Veranstalter in Wienumdas Themagekreist. Varianten der karierten Zünftigkeit, des gutbürgerlichen Betrinkensund Schlagerrnitgröhlens gibt es auchschon in Bolognaausgerechnet in Wien sollte das nicht funktionieren? Woman Fahrgeschäfte nicht erst extraaufbauenmuss wiein München, weilim Prater die Hochs Ghaubahn ohnehinschon rattert? Und ist der berühmte Münchner Wiesn Schurli', das Wahrzeichen des Oktoberfests, etwa keinÖsterreicher? Aus Klosterneuburg ister,also praktischaus Wien. An Projekten, das Fest endlich indie Stadtzuschaffen, hatte auch kein Mangel geherrscht. Der letzte Anlauf war schließlicherfolgreich. Jedenfalls vorläufig. Achtzehn Monate hat Leitner auf den Eröffnungstag hingearbeitet. Erfunden hatdas Spektakel ein anderer, aber der hatsich übernommen undan Leitner ab,gegeben. Dem, so heißt es, seien die Schuhezuletzt ebenfallszugroß geworden. Zwei Wochen vor Beginn wurden allein 300.000 Euro Kaution für die Stadt Wien fällig, sodass nun bereits wiederein anderer Veranstalter übernommenhat. Die gute, schlechte Luft. Die Betreiberdes Melker Keller' dürften mit der Vorarbeit zufrieden sein. Dilettantischist die Wiener Wiesn nicht aufgezogen. Von Essen und Bieraustragen über Bühnentechnik bis Security sind 350 Personen im Einsatz. Beim Ticketing Service könne man sich noch verbessern, räumt Leitner ein. Wer mit dem Gloggnitzer Feuerwehrfest in Wien gerechnet hat,mussfeststellen, dass die Zelte durchauseine stattliche Größe haben. Sie beherbergen gerade das richtige Maßanschlechtem Luftdunst, Schwitz, Alk, Tschick. So riechtnun einmal die gute Stimmung. Im Himmel. Die MA48 hat eine eigene Müllsortier und zerkleinerungsanlage inder Prater Hauptallee aufgebaut,bis Mitternacht knirscht der Abfall. Sperrstunde. Um diese Zeit ist das Strauchwerkumdie Kaiserwiese allerdings schonganzordentlich gewässert. Nicht alleerliegen dem funktionalen Charme von Mobiltoiletten. Oder schaffenes dorthin. Ob der Wiesn Schurli zufriedenwäre? Ich weiß nicht, wie der Himmelausschaut, abersostell ich ihn mirvor.' Das haterjedenfalls über das Oriigaigiudig WIENER WIESNMit dem Münchner Oktoberfest teiltsich die Wiener Ausgabe mehr als nurden Umstand, eigentlich im Septemberstattzufinden: 23. September bis 2. Oktober, täglich 11 bis 23 Uhr. Schlagerstars bespielen drei Zelte. Reservierung erforderlich, Preise ab39 Euro. www.wierierwiesn.at