Fotto mit Äff Alles gut und schön', sagte er, Morgengebet oder so was Ähnliches, meinetwegen, okay. Aber um Gottes Willen wozu bitte brauchen behinderte Kinder eine Firmung? Sind wir uns ehrlich, die kriegen davon doch ohnehin nichts mit.' Ich schluckte: Also, wenn's dich interessiert, würd' ich dir gern erzählen, was ich davon mitgekriegt hab.' Na, da bin ich jetzt aber gespannt', grinste er und lehnte sich zurück. Bitte, fang
[MEHR]an!' eltern im Waldviertel gewesen und hatten uns an einem Regennachmittag die Zeit damit vertrieben, quer über fünf aneinander gelegte Postkarten in einem fortlaufend unseren Freunden einen Brief zu schreiben. Damit sie ihn lesen konnten, mussten sie sich treffen. Unglücklicherweise war jedoch der örtliche Postvorstand offenbar recht neugierig. Wir hatten die dicht beschriebenen Rätselkarten frankiert in den Postkasten eingeworfen. Er aber überbrachte sie wortlos dem Opa. Denn da stand schwarz auf weiß: , Hier ist es so weit ganz erträglich bis auf den cholerischen Großvater und die verkalkte Großmutter.' Hätte salopp und witzig klingen sollen, klang nun natürlich gemein und hinterfotzig. Es tat uns leid zu spät... Nichts mitgenommen? Als ich gerinnt wurde, war ich nicht 13 oder 14 Jahre wie die meisten Firmlinge, sondern 16. Ziemlich reif schon möchte man meinen. Immerhin: Wiener Schottengymnasium, Klassensprecher, die Finnvorbereitung im altehrwürdigen Schottenstift ... Und die haben sich sicher redlich bemüht. Aber: Mitgenommen hab ich mir davon überhaupt nichts. Es war eben eine zusätzliche, von den Eltern aus rätselhaftem Ratschluss uns Geschwistern zeitgleich verordnete Stunde: einmal die Woche, fad, aber wie gewohnt mit Freunden leise blödelnd durchaus überstehund gestaltbar. Eine starke Hand, ein Blick ... Dennoch stand der Schmidl Opa bei der Firmung als Pate hinter mir. Halblaut betete er für meine geschwärzte Seele. Das war vor den anderen ein wenig peinlich. Aber den festen Druck seiner Hand, die auf meiner Schulter ruhte, genoss ich, spür ich bis zum heutigen Tag. Sonst weiß ich von der ganzen Zeremonie nichts mehr. Kern blasser Schimmer, was da alles gesungen, gesprochen, gebetet wurde. Als Firmpaten hatten die Eltern außerdem unsere ältesten Verwandten erwählt um ihnen noch einmal eine Freude zu bereiten. Mir wurde der Schmidl Opa zugeteilt: jener Opa, den ich gerade damals, knapp vor der Firmung, leider sehr gekränkt habe. Wir waren eine Woche bei den Groß Ein kurzer Moment noch hat sich tief eingeprägt: Ich trage den Firmungsanzug, den einzigen Anzug Firmspendung: Die Zusage der lebensspendenden Kraft Gottes durch den Heiligen Geist steht im Mittelpunkt. und es war vielleicht die erste Frucht des Heiligen Geistes an meinem Firmungstag.' Du hast wirklich schon ein bissl was abbekommen', meinte mein Gegenüber, und ich wusste nicht genau, was er mit abbekommen' meinte. ... und keine Furcht Also legte ich zur Vorsicht ein wenig nach: Weißt du, was mir heute in der Schule ein frisch gefirmtes Mädchen geantwortet hat auf die Frage, was das Schönste war bei der Firmung? , Der Prater!' Naja. Leicht enttäuscht Halt, eines muss ich noch erzählen! Nach der Kirche fing natürlich das große Fotografieren an. Es ging mir ziemlich auf die Nerven, von einem Verwandten zum nächsten weitergereicht zu werden. Da erinnerte ich mich plötzlich an einen halbwüchsigen Schimpansen am Eingang zum Österreichischen Nationalzirkus. Er hockte aufmerksam auf der Schulter seines Dresseurs. Er sprang, dem geringsten Wink seines Meisters folgend, einem entzückten Kind oder einer sonst staunenden Person auf den Rücken und legte seinen langen, haarigen Arm um die Schulter des mehr oder weniger überraschten Opfers. Dabei grinste er breit, Uhuhuhuh Laute ausstoßend, während sein Meister mit einer umgehängten Polaroidkamera fotografierte. , Fotto mit Affe!', rief er immer wieder mit südländischem Akzent. Genau diesen Ruf hörte ich innerlich nun nach der Kirche, als ich weitergereicht wurde. Und endlich konnte ich lachen. Das half mich jemand zu einem Foto bittet, jenes , Fotto mit Affe!' und sehe als Vorbild den klugen, kleinen Schimpansen. Ja, so war das, meines Lebens übrigens. Fühle mich denkbar unwohl in dieser Verkleidung. Die vom Vater kunstvoll geknotete Krawatte schnürt mich ein. Ich hasse Krawatten. Da kreuzt mein unsicherer Blick den meines Klassenvorstandes, Pater Heinrich Ferenczy. Er sitzt im Chorgestühl und muss wohl mitbekommen haben, wie mir zumute ist. Denn er nützt diesen Sekundenbruchteü, um mir schmunzelnd mit einem Auge zuzuzwinkern. Entschärfend, ermunternd: Halb so schlimm, du schaffst das schon. Hab keine Angst! Generationen von Wiener Firmlingen wurden traditioneüerweise nach der Firmung von ihren Firmpaten in den Prater eingeladen. Heute meine ich, mein Herz hat darin zum ersten Mal bewusst jenes geheimnisvoll größere Zuzwinkern verspürt, das mir seither so oft in den verrücktesten Situationen zuteilwurde: Trost, Ermutigung. Schon eigenartig da dauert so eine Feier zweieinhalb Stunden und die Vorbereitung darauf ein Jahr, und eingeprägt haben sich eine starke Hand auf der Schulter und ein Blick. Aber vermutlich reicht das schon als Verheißung für ein junges Menschenleben. mir, die Prozedur relativ gut zu überstehen. Aber bis zum heutigen Tag höre ich immer, wenn fragte ich weiter: . Und was im Prater?' , Das Jackthe Ripper Haus.' Ich, irritiert: , Na geh, und was im Jackthe Ripper Haus?1 Sie, mit Verschwörerstimme: , Dass ich mich zum ersten Mal echt reingetraut hab!' , Na und was war dort so toll?' , Dass ich mich fast nicht gefürchtet hab.' Dann flüsterte sie mit bedeutungsvollem Augenbrauen Hochziehen: . Weil ich mich an meinem Firmungskreuz festgehalten hab', und zwinkerte mir zu.' Tomas Kaupeny H Mag. Tomas Kaupeny ist Seelsorger der Caritasgemeinde in Wien, der Caritas Kinderund Jugendeinrichtung Am Himmel', im Haus Franciscus und im Tageszentrum Nord der Caritas.