Erwin Wurm.der Albertina zeigt er nackte Künstlern Nitschis Matthias Hartmanq In NEWS rechnet ervernichtend mit der österreichien Kulturpolitik ab. KULTURNackte Künstler. Wer ist wer? Die Körper wurden fotografiertund künstlerisch verfremdet,die Gesichter der nackten Kollegen oft unkenntlich gemacht. Häuser,auf Häuser stürzend, aufgeblasene Autos, ein gebogenes Segelboot: Erwin Wurm, 58, istein österreichischer Künstlervo
[MEHR]n Weltrang. Für seine Albertina Ausstellung posierten nun Künstlerwie Hermann Nitsch und Burgtheaterdirektor Matthias Hartmann nackt. NEWS: Wollen Sie damit zum Manfred Deixder Kunstwelt werden? Wurm: Blöde Frage! Seine Zeichnungenzielen hauptsächlich unter die Gürtellinie. Bei mir geht es um etwas anderes, männliches Altern, Selbstdarstellung und Projektion und den Verfall. Darunter leidenwir doch alle. Ichhabe Kollegen fotografiert und die Fotos wie ein Bildhauermitdem Pinselbearbeitet. Die Körper sindbeinahe vollkommen entpersonifiziert. Die Gesichter, die einzelnen Personen sind irgendwann in den Hintergrund getreten.Übrig blieben die Körper. Aus Solidaritätmit den anderen habe ichmich mit dem Selbstauslöser fotografiert, damit es nichtheißt, der zieht sich selbst nicht aus. Nacktheit war auch nicht das Thema, sondernhat sich ergeben. So wie sich Nitsch darstellt, das ist großartig, der muss ja nichtdie Hosen runterlassen. Gehandicapt warich bei Matthias Hartmann. Er hat mirzwarvöllig freie Hand gelassen, aber ichwollte bei ihm nicht Gesicht und Geschlechtauf einem Bild zeigen, das könnte in seiner Position missbraucht werden. Ich schätzeihn sehr. Wir sprachen darüber, etwasgemeinsam am Burgtheater zumachen. NEWS: Im Bahnhof Wien Mitte stellen Sie Peter Noever (den ehemaligen MAKDirektor, Anm.) und Gerald Matt(den ehemaligen Kunst hallenchef, Anm.) in einen Betonkasten. Beide wurden unkorrekten Handelnsbezichtigt und aus ihrenÄmtern gejagt. Wurm: Wie beide und besonders Peter Noever abmontiert und durch den Dreckgezogenwurden, ist schade. Es ist unseriös, zu behaupten, dass jetztunzählige Kunstgegenstände verschwunden sind. Man hat von der neuen Direktion gehört,dass das schon vor dem Krieg passiert ist! Dieser Grünpolitiker ( Kultursprecher Zinggl, Anm.) wollte nur Köpfe rollensehen. Wie der dabei vorgegangen ist, istsehr befremdlich. In Wahrheit ist Zinggl ein Kunsthasser. Da wird die Allgemeinheit aufgewiegelt, das ist knapp vor der Lynchjustiz, das ist demokratieunwürdig. Manmussdiese Fälle korrektuntersuchen, aber Korrektheit ist diesem Land schonlange abhandengekommen. NEWS: Werden Künstler hierkorrekt behandelt? Wurm: Ich habe Beispiele, wodas nicht der Fall ist. Das Dorotheum hat in seinerjüngsten Auktion bei einer Arbeit von mir,die eine Erektion hinter einer Hose zeigt,ohnezufragen die Hose geöffnet und die Skulptur derart entstellt in einer Broschüre abgedruckt! In Amerika oder England undenkbar! Esmussendlich klarsein, dass es keinen Sinn hat, nur auf die Künstler der Vergangenheit stolzzu sein. Da läuft hier einiges anders. Es wissen diewenigsten, dass es jetzt österreichische Künstler gibt die in den Weltranglistenganz vorn mitdabei sind! NEWS: Werden Sie unter Wert verkauft? Wurm: Das möchte ich nicht sagen! Aber Tatsache ist, dass Arnulf Rainer, Maria Lassnig und wir anderen, die auf einemähnlichen Level wie die amerikanischen,englischen oder chinesischen Kollegen sind,bei weitem nicht deren Preise erzielen. Dashat viele Komponenten, wohl auch die, dassbeiunsviele Sammler eher als Schnäppchenjäger tätig sind. Und hat sicher auchdamitzu tun,dass Kunst im westlichen Ausland, Deutschland, Amerika, England,steuerlich abschreibbar ist. Beiuns unmöglich, weil sich die Politik die Künstlergernein finanzieller Abhängigkeit hält. NEWS: In welcher Partei kann sich ein Künstler politisch heute zuhause fühlen? Wurm: Ich habevorlanger Zeit einmal die Grünen gewählt, aber die sind unwählbargeworden. Die anderen gehen auch alle,nicht! Zum Beispiel hat einmal Frau Burgstaller in Salzburggesagt, sie habe mit Kultur nichtsam Hut. Es ist zum Heulenin diesem Land, da sitzen viele zweifelhafte Figurenander Macht,. Die Sozialisten haben sich Künstler jahrelang wie Hofnarren» Die SPÖhat sich Künstler als Hofnarrengehalten.«gehalten. Eswarlangangesagt, links zu sein, aber dashaben sie verspielt. Wennman den Regierenden zuhört,wird einem schlecht. Ich binratlos, weiß nicht mehr,wenich wählen soll. Das Land istin eine moralische Schiefebene geraten. Und wie hiermit den Schulen und Universitäten umgegangen wird! Leute, die soagieren, müssten das Land verlassen. NEWS: Jetzt will man auch noch eine tägliche Turnstunde einführen. Reichtes nicht,dass man in den oberen Schulklassen zwischen Zeichnen und Musik wählen muss? Wurm: Diese Fächer kannmannichtgegeneinander ausspielen. Die gehören wesentlichzur Menschwerdung, ohne solche Fächer sind wir nicht komplett. Das Geistige,das Künstlerische fehlt. Die Leuterennenzwar ins Theater,vergessenaber, dass das Wesentlichevon Künstlern, Architekten, Musikern, Philosophen, Dichternetc. in die Welt gesetzt wurde. Es ist auch einer dergrößten Fehler, dass die Bürgermeisterdie oberste Bauinstanz sind. Die wollenwiedergewählt werden und sind dadurchkorrumpierbar. Verlässtmansich auf Bürokraten und Techniker, fehlt bald Wesentliches, undunsere Welt verändert sichtleider in diese Richtung. Darum schaut'simmer mehrso aus indiesem Land. NEWS: Ist es nicht eigenartig, dass ausgerechnet im konservativ regierten Niederösterreichsoviel für Kultur getan wird? Wurm: Was Pröll macht, ist großartig. Ersetzt sichfür Künstler wie Nitsch ein. Dasnenneich Charakter! NEWS: Und die Kulturpolitik in Wien? Wurm: Was die Sozialisten in Wien aufgeführt haben, ist eine Frechheit. Diese vielenverhauten Plätze! Der Pratersternwareinmal ein schöner Platz und ist jetzt das Letzte. Und dann wundern sie sich,wennden Leuten die Lust vergeht, sie noch einmalzuwählen. Das Problem ist, dassmanfast keine Alternative hat. Susanne lobt