Salzburger Nachrichten 29.01.2013 Prater Wien HEDWIG KAINBERGER Kleinigkeitenverschönern den Alltag Das Kleine ehren. Wie interessant undraffiniert das Winzigesein kann, ist im Wien Museumzuentdecken. HEDWIG KAINBERGERWIEN ( SN). Wer hat seinen Busfahrschein oder die Skiliftkarteweggeworfen? Da wurdemöglicherweise eine museale Kostbarkeit vernichtet. In zehn, fünfzig oder hundert Jahren kannsoein scheinbar wertloses Dingzum Ze
[MEHR]itzeugen werden: Da erinnernwiruns an Schaffner, die Fahrscheine mit einem Zwicker zwickten, an Zehnerblocks oderandiealte Währung. Vielleicht hatsoeine Fahrkarte der Liliputbahn im Wiener Praterausdem Jahr 1930(im Bild oben) die Großmutterund den Großvaterzum ersten Flirt verführt? An viele solche Kleinigkeitenerinnert das Wien Museum abmorgen, Mittwoch, in einer ungewöhnlichen Ausstellung: Kein Exponat hat mehr als zehn Zentimeter Höhe, Breite oder Durchmesser. Denn jedes Ordnungssystemist mehr oder weniger mutwillig'seieschronologisch, alphabetisch oder nach Inventarnummer,erläutert Wien Museum Direktorund Kurator Wolfgang Kos. Nunhatereinmal die Größe als Zufallsgenerator der Ordnunggewählt. Die Ausstellung Unter10'wird angekündigt als Parcoursdes Entdeckens und Staunens, derzur Feinjustierungdes Blicks einlädt'. Wer Hilfe braucht, für denliegen Lupenparat. Dass Menschen kleine Dingegebrauchen, hat mehrere Gründe. Einer steckt im Ehrgeiz, extreme Kunstfertigkeitzubeweisen. Sozauberte ein Maler auf eine 9,3 Zentimeter breite Dose eine Ansicht Wiensvom Süden. Beliebtwarenauch gemalte Miniaturporträtszum Einstecken oderzum Umhängen. Uhrmacher zeigten ihr Fingerfertigkeit inwinzigen Zeitmessern, diewegen ihrer schnell schwingenden Kurzpendel Zappler'genannt werden. Ein Exponat im Wien Museum passt gar ineinen Fingerhut. Manche Dingemussten auspraktischen Gründenkleinsein. Wenn Stiefeletten der Kaiserin Elisabethzubindenwaren,half ein Schuhknöpfler'aus Metall und Elfenbein, die Bänderdurch die Ösenzuziehen. Auch Eierbecher, Salz und Pfefferschälchen, Mocca Tassenund Oberskännchen sind klein,jeneim Wien Museum sind zudemexquisit in Form und Verzierung. Aus praktischen Gründen kleinzuseinhaben Christbaumschmuck, Zündholzschachtelnsowie Baby und Puppenutensilienetwa Puppen Strumpfbändchenmit Pünktchenstickereivom Endedes 19. Jahrhunderts. Und kleinmuss wie der Namesagtdas Kleingeld sein: ein silberner Pfennigum1480 ebensowie ein Kreuzervon1859, ein Hellervon1916, ein Groschenvon1947 und ein Centvon2002. Weitersmussklein sein,was in Taschenvon Hose, Rock oder Mantel oder in Handtaschenpassensoll. Das zeigt ein Portemonnaie Kalender'aus 1884, eingelber Plastikbehälterfüreine Regenhaubeaus 1960oder ein Döschenvon1830 mit der Aufschrift Pillenumschönzubleiben'. Weiters sind kleine Behältnisse gutzum Verreisen,etwa Reisenecessaire oder Reisetintenfass. Klein ist auch dassehr Kostbare. Dazugehörenzu Schmuckgefasste Edelsteine sowie raffiniertebis verrückte Souvenirs,etwa die Sterbekerzevon Kaiser Joseph II.und drei Zähne Hugo Wolfs. Faszinierend ist die Vielzahlan Drucksorten: Exlibris, Sammelbildchen, Glückwunschkärtchen, Fahr und Eintrittskarten oderwinzige, weil verbotene Flugzettel, Streuzettel'genanntsei esgegendie NSDAP oder für Mai Spaziergänge'zur Dollfuß Zeit. Und weil in einem Museum die Kunstnicht fehlen soll, werden in Unter 10' auch extrakleine Werke zeitgenössischer Künstlergezeigt, etwavon Sonia Leimer, Anita Leisz, Oswald Oberhuber, Hans Schabus, Ingeborg Stroblund Heimo Zobernig. Ausstellung: Unter10 Wertvollesen Miniature, Wien Museum, bis 26, Mai. Der Katalog misstzwar zehn mal13,5 Zentimeter, hat abernur Texte mitbiszu neun Zeilen. Dieser Zappler,eine 2,9 Zentimeter hohe Standuhr,wurdeum1830von Johann Rettichin Wienhergestellt. Bild: SWWIEN MUSEUMe P14` Salzburger Nachrichten 29.01.2013 Prater Wien HEDWIG KAINBERGER Stadion Rotundeeimie PRATERZ6414ireine Fahrt Elen Lösungstagegültii, Preis20 Groschen6 Schnupftabakdose mit Ansichtvon Wien um 1800 (9,3 cm breit). Fahrkarte der Liliputbahn um 1930 (drei mal 5,7 cm), achtteiliges Reisenecessaire aus 1865 (sieben cm hoch) und Behälter für Regenhaube um 1960 (4,2 cm Durchmesser). Eder SN, Vile: MUSEUM